AM148 – Brief an Walter Gropius
Wien, Donnerstag, 2. Oktober 1913 [= Poststempel]


[oben:] dem Zufall – uns einmal irgendwo in die Augen blicken zu können – und darin zu lesen, dass wir unschuldig sind. —

Missverständnis über Missverständnis! –

Getrennte Seelen! —

D. h.[,] ich habe vollkommen verstanden! Nicht einen Moment habe ich Deinem „Kommenwollen“ einen anderen als den reinsten Beweggrund unterlegt.

Ich habe es ja leichter – Dein Bild ist ungetrübt in mir –. Und da thut es mir so weh – dass Du durch den Franzensbader Brief – etwas „wie Licht durch die Dunkelheit unserer Beziehung fühltest.!“


Warum – nichts Böses – nichts Gemeines steht ja zwischen uns. – Ich habe ja damals in Toblach schon angedeutet, dass nicht mehr alles so sei – als es war – und ich war voll Liebe – aber diese Liebe war ohne Gegenstand. Wenn sich in Deinem Kopf jetzt manches vielleicht anders darstellt, so denke – auch Engramme leben – und man corrigirt sie je nach Willen. — Du solltest für mich auch das liebe, warme Gefühl erlernen, das ich für Dich habe und das man für seinen großen Erlebnissen haben soll – um an ihnen zu wachsen.

Du willst mich also nicht mehr sehen – so überlassen wir es halt der Zukunft und


Apparat

Überlieferung

, .

Quellenbeschreibung

1 Bl. (2 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Umschlag, , Berlin W.[est] 10. | Kaiserin Augustastraße 68. | Architect Gropius; PSt. (lt. , S. 1140, t 6k20): 19/1 WIEN 117 | -2.X.13 XII– | * 3a *; fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „1913“; rückseitig: Mahler Wien XIX | Pokornygasse 23.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

keine.

Datierung

Folgt Poststempel.

Übertragung/Mitarbeit


(Bettina Schuster)
(Elke Steinhauser)


A

„Kommenwollen“ – nach Franzensbad (Františkovy Lázně), s. AM147 vom 11. September 1913: damals.

B

Franzensbader BriefAM146 vom 25. Juli 1913.

C

Linkspfeil als u-Strich.

D

„wie Licht durch die Dunkelheit unserer Beziehung fühltest.!“ – Zitat wahrscheinlich aus einem Brief von nach AM146 vom 25. Juli 1913. Entwurf nicht überliefert.

E

damals in Toblach – Die beiden letzten Treffen in Toblach fanden im August und September 1911 statt.

F

diese Liebe war ohne Gegenstand – Wahrscheinlich meinte damit, dass ihre Gefühle zu schon damals in Toblach nur noch freundschaftlicher Natur waren und damit nicht mehr ausreichend für eine Liebesbeziehung oder gar eine Ehe. Siehe auch AM56 vom 11. Januar 1911: Liebe ohne Gegenstand.

G

Engramme – Engramm ist eine physiologische Spur, die eine Reizeinwirkung als dauerhafte strukturelle Änderung in Gehirn hinterlässt.

H

Ursprünglich: an.